Zeitschrift Luxemburg: Themenausgabe Smarte Neue Welt

Soziale Medien verändern grenzüberschreitend Kommunikationsweisen und Öffentlichkeiten, Lifelogging-Apps heben neoliberale Selbsttechnologien auf eine neue Stufe, und auf der Grundlage vernetzter Nutzerdaten wird Mobilität ebenso wie Pflege und Gesundheitsversorgung grundlegend umgebaut; von den ökologischen Folgen dieser SMARTEN NEUEN WELT ganz zu schweigen. Von links stellen sich zwei zentrale Fragen: die nach der Verfügung über all diese Daten, Algorithmen und Kommunikationsinfrastrukturen. Sie liegt zunehmend in der Hand privater Konzerne, die sie nicht zuletzt für staatliche Überwachungszwecke und digitale Kriegsführung bereitstellen. Die andere Frage ist die nach den Rationalisierungspotenzialen der Automatisierung. Wem gehört eigentlich die frei werdende Zeit? Und wie lassen sich angesichts privatwirtschaftlich generierter Automatisierungsgewinne künftig Einnahmen öffentlicher Kassen sicherstellen? Weiterlesen

Wie mit der „Ausländermaut“ die Autobahn privatisiert wird

Bild: Alexander Blum, wikipedia.de
Bild: Alexander Blum, wikipedia.de

Am 27. März wurde im Bundestag die PKW-Maut – unter der Bezeichnung „Ausländermaut“ bekannt – beschlossen. In der Bundestagsdebatte und in Anhörungen im Vorfeld ging es viel um EU-Konformität und wackelige Einnahmenschätzungen, und leider nur am Rande auch darüber, dass mit dem Projekt vor allem die Autobahnprivatisierung vorbereitet wird.

In der Bundestagsdebatte am 27.03.2015 bestätigte die Regierung nun auch selbst, dass man mit der Maut privatisieren will. So lobte Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, das Vorhaben nicht nur unbescheiden als Teil der „größten Modernisierungsoffensive der bundesdeutschen Geschichte“. Er sprach auch von der Maut im Zusammenhang mit „stärkerer Einbindung von privatem Kapital – ÖPP“ und versprach „Mittel aus öffentlich-privaten Partnerschaften“.

Mehr zu der Debatte, zu den Argumenten und zu dem Abstimmungsverhalten der Abgeordneten bei der Abstimmung über die Einführung der PKW-Maut ist hier zu lesen: http://www.gemeingut.org/wie-mit-der-auslaendermaut-die-autobahn-privatisiert-wird/

Öffentlich-private Partnerschaften: Kritik einfach „weggestimmt“

Bild: Jürgen Thierfelder
Bild: Jürgen Thierfelder

Am Freitag, dem 5.12., wurde im Bundestag in einer Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses das Thema Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP, auch Public Private Partnership, PPP) behandelt. Den Anlass dazu bot ein Gutachten des Bundesrechnungshofs vom Juni 2014. In diesem wurde nachgewiesen, dass die ÖPP-Variante für fünf von sechs damals untersuchten Autobahnen 1,9 Milliarden Euro Mehrkosten für SteuerzahlerInnen verursachen. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass die Kredite, die private Partner für diese Projekte aufgenommen haben, viel teurer sind als wenn die öffentliche Hand, also im Fall der Autobahnen der Bund, die Kredite selbst aufgenommen hätte. Diese Berechnungen wurden ein paar Wochen später vom Verband der Deutschen Bauindustrie kritisiert. Das verwundert aber nicht, denn Hochtief, Strabag oder Bilfinger Berger, die zu den größten Verbandsmitgliedern gehören, sind auch die wichtigsten Auftragnehmer bei ÖPP. Im Oktober erstellte dann auch das Bundesverkehrsministerium ein Gegengutachten, in dem es ÖPP, genauso wie der BDI, gegen die Kritik des Bundesrechnungshofes verteidigt. Zum Beispiel heißt es darin:

Die … vom Bundesrechnungshofs abgeleiteten Mehrkosten … werden weder durch die Realität gestützt … noch überzeugen sie methodisch.“ Weiterlesen

Widmer, Verein Neustart Schweiz (Hrsg.): „The Power of Neighbourhood” und die Commons (Rezension)

Rezi_Neustart

Von Peter Streiff
Für sein Konzept von miteinander verflochtenen Nachbarschaften ist der Schweizer Autor P.M. mit verschiedenen Büchern seit Jahren bekannt. „Bolo`bolo“ nannte er 1983 den ersten Entwurf und in „subcoma“ entwarf er zur Jahrtausendwende eine nachhaltige Versorgung, die auf der Kooperation einer städtischen Nachbarschaft aus etwa 500 Personen mit einem nahen Bauernhof besteht. Aktuell legt er nun – als Ergebnis seiner Lesereise mit dem neuen Buch „Kartoffeln und Computer, Märkte durch Gemeinschaften ersetzen“ – eine neue Broschüre (PDF) vor:
Die „Kraft von Nachbarschaften und die Allmende“, wie die deutsche Übersetzung lauten könnte, liest sich als optimistisches Plädoyer für eine grundsätzliche Neustrukturierung der Gesellschaft: „Multifunktionale Nachbarschaften bieten einen idealen Rahmen für Selbstorganisation und erlauben es den Menschen, ihre vielfältigen Talente einzubringen. Das Leben kann vielfältiger, sicherer, freier, selbstbestimmter und schöner werden, ohne dass wir den Planeten und uns selbst zu Grunde richten.“
Dabei verzichtet der Autor, der ungewöhnlicherweise unter seinem bürgerlichen Namen schreibt, weitgehend auf komplexe ökonomische Zusammenhänge, sondern setzt bei der leicht nachvollziehbaren Organisation des Alltags von Nachbarschaften an.

Read more | ›››

Tallinn: Kostenloser öffentlicher Verkehr

reevolution_banner-600x145Seit Januar ist Tallinn, Estland, die erste Hauptstadt in der EU mit kostenlosem öffentlichen Personennahverkehr (vgl. die Liste aller Städte mit kostenlosem ÖPNV weltweit). Alle Bürger der Stadt können sich für zwei Euro registrieren lassen und fahren dann kostenlos. Seit die Bürger der Stadt zum Nulltarif fahren können, ist der Autoverkehr im Zentrum von Tallinn bereits um 15 Prozent zurückgegangen. Nun überlegen auch andere Städte, Gratis-Öffis einzuführen. Gerade fand eine internationale Konferenz zum Thema kostenloser ÖPNV in Tallinn statt, unter Beteiligung einer kleinen Delegation der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Mehr: Wer in Tallinn lebt, fährt gratis mit Öffis – Öffentlicher Verkehr – derStandard.at

Nachtrag 3.9.: Das Haar in dieser Suppe ist allerdings der Zwang zur personalisierten Anmeldung in Kombination mit dem elektronischen Ticketsystem. Beides zusammen ergibt ein perfektes Mobilitätsüberwachungssystem. Die Internetkonzerne machen vor, wie viel Geld mit personalisierten Datensammlungen zu machen ist. Es lässt sich also zuspitzen: In Tallinn zahlen die Bürger ihre Fahrten nicht mehr mit Geld, sondern mit Daten. (Nebenbei: Verkehrsflussoptimierung lässt sich sehr wohl auch ohne die Personalisierung der Daten optimieren.) Und die Enthüllungen über die Internetüberwachung von NSA und Co. zeigen, wie durchlässig die Grenzen zwischen der Datensammlerei durch (private) Infrastrukturbetreiber und Geheimdiensten sind. Staatliche Kontrolle bekommt auf der Basis personalisierter Erfassung von Mobilitätsverhalten eine neue Qualität. Übertragen auf deutsche Verhältnisse wären durch ein derartiges „kostenloses“ System die gleichen Gruppen ausgeschlossen vom „öffentlichen“ Verkehr, die es auch schon heute sind, wenn die Dinge über Geld geregelt werden, z.B. HartzIV-Menschen, die vor Ort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen haben und Flüchtlinge, die per Residenzpflicht in einer Kommune gefangen sind. Das Tallinner Beispiel wird nur dann in einer emanzipatorischen Richtung transformatorisch wirken, wenn der eklatante Konstruktionsfehler der personalisierten Mobilitätserfassung benannt und kritisiert wird.

Resistance is a Radio Star

Der wirklich interessante Dokumentarfilm Sachamanta über den Kampf um Land von KleinbäuerInnen in Argentinien läuft dieses Jahr noch einmal in Berlin im Freien Neukölln (Pannierstraße 54) am 9. 12. um 20:30 Uhr. Die MacherInnen verbinden die Vorführung mit einem Crowdfunding-Aufruf um einen Nachfolgefilm zu drehen, der die Rückkehr der hier aufgezeichneten Zuschauerreaktionen  zu den kämpfenden Menschen in Argentinien behandelt.

Sachamanta nimmt Sie mit in den Norden Argentiniens. In der Region Santiago del Estero haben sich die Campesinos von großen Konzernen wie Monsanto nie die Butter vom Brot nehmen lassen. Im Kampf gegen das Landgrabbing lautet das Erfolgsgeheimnis der Indigenen: Kommunikation! 

Read more | ›››

Maruda: Bürger-Kraft-Werke

Thema Strompreise: Wenn Bild einschreitet, dann ist i.d.R. die Kacke am Dampfen. Bild („unabhängig. überparteilich“) präsentiert dann den dramatischen Einzelfall, hilft – und entpolitisiert. Ursächliche Strukturen, die profitorientierte Bewirtschaftung der Stromversorgung in diesem Fall, geraten so erst gar nicht in den Blick. Auch im Energiesektor konzentriert sich der eigentliche Reichtum, der Reichtum an Produktionsmitteln, sprich Kraftwerken, auf wenige, bewirken Umverteilungseffekte nach oben und verhindern den sinnvollen Umbau der Produktion . Weiterlesen

Wichtiger Schritt auf dem Weg zur demokratischen, ökologischen und sozialen Energieversorgung

Heute hat der Berliner Energietisch 36.089 Unterschriften an die stellvertretende Landeswahlleiterin übergeben. Damit endet nach nur vier Monaten die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren „Neue Energie für Berlin – demokratisch, ökologisch, sozial“. Vorbildlich – und vielleicht auch ein Grund, warum das mit den Stimmen so gut geklappt hat: die 7 Gründe für eine kommunale Energieversorgung in deutscher und türkischer Sprache.

Britische Bahn: Teuer und ineffizient

Ein interessanter Beitrag zur privatisierten Bahn in Großbritannien der im Zusammenhang mit den neusten geäußerten Privatisierungsplänen des Premier Cameron gestern auf orf.at erschienen ist und der durchaus Parallelen zur Entwicklung in Deutschland erkennen lässt, auch wenn die Deutsche Bahn hierzulande (noch) nicht im selben Umfang wie anderswo privatisiert wurde:

Teuer und ineffizient

Geschätzte 2.000 Firmen sorgen derzeit dafür, dass die britische Bahn täglich Millionen Passagiere befördert. Der Fleckerlteppich ist zugleich ein Scherbenhaufen: Rund 16 Jahre nach der Privatisierung bleibt die Bahn ein Sorgenkind der Regierung. Sie ist sowohl für den Staat als auch für die Fahrgäste teurer denn je. Die Regierung Cameron will nun den nächsten Anlauf für Reformen nehmen.

Vor der Privatisierung betrugen die staatlichen Kosten für die Bahn im Zeitraum 1992/93 mit 2,2 Milliarden Pfund ihren Höchstwert. Nach der Privatisierung blieben die Kosten mit ein bis zwei Milliarden etwa konstant – ab 2001 explodierten sie aber: 2006 waren es 6,3 Milliarden Pfund, im Vorjahr waren es vier. Hauptbestandteil sind direkte Zuschüsse an die Betreiber, dazu kommen Mittel aus der Regionalförderung. […] weiterlesen

Kommunale Energieversorgung in Kalifornien

Der Sacramento Municipal Utility District (SMUD) ist ein gemeinnütziges Energieversorgungsunternehmen in öffentlichem Eigentum in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento. Innerhalb seines Dienstleistungsbereichs ist SMUD für die Erzeugung, Beschaffung, Übertragung und Verteilung der Elektrizität zuständig. Mit ca. 1,1 Millionen belieferten Kunden ist SMUD das sechstgrößte kommunale Versorgungsunternehmen in den USA und, nach dem LA Department of Water and Power (LADWP), der zweitgrößte kommunale Versorger in Kalifornien. Anders als das LADWP hat SMUD eine Eigenständigkeit gegenüber der Kommunalverwaltung. Der siebenköpfige Vorstand wird, aufgeteilt nach Bezirken, alle vier Jahre von den dortigen Steuerzahlern direkt gewählt. Die Unternehmensgewinne fließen nicht in die kommunalen Kassen, sondern werden, unter den Vorzeichen der Gemeinnützigkeit, reinvestiert. Unter anderem deshalb hat SMUD sehr früh angefangen, den Ausbau und die Erforschung regenerativer Energien voranzutreiben. Mehr lesen in der aktuellen Literatur- und Online-Recherche von Jan Latza über das SMUD.

Mietendemo vs. Internetkonferenz

Am kommenden Samstag tagt die Konferenz „Netz für alle“ in Berlin-Kreuzberg zum Thema „Wem gehört das Netz? I: Infrastruktur und II: Content„. Währenddessen läuft draußen eine absehbar sehr große Mieten- und Kieze-Demonstration: „Wir bleiben alle“ und „Wem gehört die Stadt?!“. Doofe Termindopplung. Politische Parallelgesellschaften.

Nachtrag: Schöner Zeitungsartikel im Tagesspiegel: „Die neue APO im Kiez“

„Vinci verpiss dich!“

Ein Konzern will ausbauen und trifft auf Widerstand

Während der Ausbau des Flughafen Berlin Schönefeld allenfalls eine Menschenkette gegen Fluglärm mobilisiert, geht es bei Nantes, im westlichen Frankreich ganz anders zur Sache. „Vinci dégage!“ – „Vinci verpiss dich!“ heisst es da in einem aus Menschen geformten Schriftzug.

Vinci SA  hat einmal als Baukonzern angefangen und legt auf seiner Website offenherzig seine bebilderte koloniale Geschichte dar. Inzwischen ist der Konzern ein börsennotiertes Unternehmen und Weltmarktführer im Bereich bauliche und baunahe Dienstleistungen (Le Monde, 13.05.2011).

Eines der nächsten Großprojekte des Konzerns ist der Bau des Flughafens Grand Ouest.

Read more | ›››

Fortschritt im Sozialismus

Evo Morales will in Bolivien eine Straße bauen – und stößt damit auf den Protest derer, die ihn mutmaßlich zum Präsidenten gewählt haben. Das ‚gute Leben‘ haben sich die Indigenen anders vorgestellt. Der artenreiche Nationalpark kann sich auch nicht auf die in der Verfassung eingelassenen Rechte der Natur verlassen. Aber eine brasilianische Entwicklungsbank gibt nun mal ordentlich Geld für das Projekt. Die Straße ist Teil eines globalen Infrastrukturprojekts. Der Präsident muss harte Kritik einstecken: „Evo ist wie China, sozialistisch im Diskurs, kapitalistisch in der Praxis.“ In der taz wird das Dilemma beschrieben.

Read more | ›››