Vor zweieinhalb Monaten hab ich hier vom Protest-Gecekondu berichtet. Die Mietergemeinschaft Kotti & Co in Berlin-Kreuzberg kann einen ersten Erfolg vermelden: Die Betriebskosten ihrer Wohnungen werden überprüft. Die Nachricht mag verwundern, sollte das doch selbstverständlich sein – ist es aber im sogenannten sozialen Wohnungsbau nicht.
Die Berliner Zeitung berichtet:
So hat sich nach Angaben der Mietergemeinschaft Kotti & Co die Wohnungsbaugesellschaft Hermes nach einem Gespräch am Montag dazu bereiterklärt, alle Betriebskosten-Abrechnungen zunächst zurückzuziehen und zu überprüfen.
Die Inkassobescheide an Mieter, die die Rechnungen nicht bezahlen konnten oder dagegen Widerspruch erhoben haben, seien nichtig. „Das ist ein positives Signal. Der Druck, den wir aufgebaut haben, hat geholfen“, sagt Alexander Kaltenborn von der Mietergemeinschaft Kotti & Co.
Der soziale Wohnungsbau wurde in Berlin 2003 abgeschafft. Die Folgen sind fatal.
Die Mietergemeinschaft Kotti und Co fordert, die Kappungsgrenze wiedereinzuführen und auf 4 Euro abzusenken. Denn die Mietsteigerungen haben zur Folge, dass die GSW beispielsweise für eine 80 Quadratmeter große Wohnung an der Admiralstraße inzwischen 916 Euro warm verlangt. Da die meisten Bewohner Hartz IV-Empfänger sind und die Mieten über den von den Jobcentern finanzierten Sätzen liegen, fürchten viele von ihnen, ausziehen zu müssen.
Nach dem Auszug folgt nach Angaben des Berliner Bündnisses Sozialmieter nicht selten eine Modernisierung der Sozialwohnungen. Dann würden diese als Eigentumswohnungen verkauft oder teuer an solvente Mieter vergeben, für die diese Sozialwohnungen eigentlich gar nicht gedacht waren.
Mietsuchende, die über einen Wohnungsberechtigungsschein (WBS) verfügen, müssen bei der Wohnungsvergabe nicht mehr berücksichtigt werden. Der Senat hat für Gegenden wie das Kottbusser Tor eine Freistellung beschlossen, weil er eine einseitige Belegung mit überwiegend sozial schwachen Mietern vermeiden wollte.
Aber auch eine Berliner Immobilienblase wird irgendwann platzen. In der Financial Times Deutschland ist zu lesen, dass
34 Prozent der Befragten […], eine Blasenbildung in Deutschland innerhalb der kommenden Jahre für möglich […] halten, aus Sicht von 44 Prozent sind die Preise bereits zu hoch.
Die Berliner Zeitung schreibt dazu:
Eine gewisse Ausnahme bildet der Studie zufolge Berlin, wo anders als in den übrigen Großstädten die Zahl der zum Kauf angebotenen Wohnobjekte seit 2007 um rund 60 Prozent zunahm. Zudem seien in Berlin auch andere Risikofaktoren relativ hoch, zum Beispiel das hohe Durchschnittsalter der Bevölkerung und der hohe Anteil von Wohngeld-Empfängern.
Was hier als Risikofaktoren bezeichnet wird, sind Menschen. Menschen, die zum Teil seit Jahrzehnten in der Berliner Innenstadt leben. Sie kämpfen um das Recht auf Stadt für Alle. Ein Recht auch für diejenigen, die so wenig Geld haben, dass es kaum zum Überleben reicht; diejenigen, die ein soziales Umfeld haben, in dem sie leben möchten; diejenigen, die dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verwertung zur Verfügung stehen.
Wer sich ausführlicher informieren möchte, wie sich das Problem mit dem sozialen Wohnungsbau in der Praxis darstellt und wer alles am Gecekondu zusammen kommt und zusammen kämpft, kann das in einem ausgezeichneten Interview von Andrej Holm auf reboot.fm anhören.
ich verstehe, warum sie als „wohneigentumsratgeber“ einen immobilienmarkt, der „so leergefegt [ist], dass man kaum eine bezahlbare und gut geschnittene Wohnung findet“ nicht als problem sehen, sondern als profitträchtige anlagesphäre: denn mangel bildet die voraussetzung für steigende preise und profite – um diesen zusammenhang anzuerkennen, muss man kein marxist und nicht einmal linker sein. nichts destotrotz kann der mangel an bezahlbarem wohnraum symptom der aufblähungsphase einer immobilienblase sein, das wird die zukunft zeigen.
bis die blase platzt, freuen sich anleger und spekulanten, d.h. agenten der zahlungskräftigen nachfrage. ergo: die zahlungskraft ist das entscheidende kriterium. denn der „mangel an bezahlbaren wohnungen“, den sie ja konzedieren, wirkt mitunter existenzbedrohend für nicht ganz so zahlungskräftige mieter und mieterinnen, z.b. wenn sie in die mühle einer eigentumsumwandlung kommen und mangels zahlungskraft nicht nur aus ihrer wohnung, sondern damit gleich noch aus ihrem in aufwertung befindlichen stadtteil und aus ihren sozialen beziehungen vertrieben werden.
wäre wohnraum nicht zur kapitalistischen verwertung freigegeben bzw. wäre wohnraumallokation nicht über den für soziales und stadtplanerisches blinden markt reguliert, sondern über eine rationale und demokratische planung, dann müsste sich die zahlungskräftige nachfrage andere spekulationsobjekte suchen, wohnraum bliebe bezahlbar und die preise blieben verlässlich und stabil (betriebskosten plus erhaltungsmiete).
Ich kann mir eine Immobilienblase nicht vorstellen, weil der Immobilienmarkt ist so leergefegt, dass man kaum eine bezahlbare und gut geschnittene Wohnung findet.
Solange es eine so enorme Nachfrage gibt, halte ich eine Immobilienblase für ausgeschlossen.