Ralf Streck: Immer für einen interessanten Hintergrundartikel aus dem spanischsprachigen Bereich gut

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Widerstaende gegen Wasserprivatisierung/weiter FDCL-Veranstaltungen

Öku-Büro München und FDCL laden ein: „Wasser ist keine Ware! Widerstand gegen Privatisierung und Megaprojekte in El Salvador“ in Berlin und München.
mehr: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=742

Vortrag mit Diskussion mit
Wilfredo Romero arbeitet im Wartungsdienst des staatlichen Wasserversorgers ANDA. Er ist langjähriges Mitglied der Gewerkschaft S.E.T.A (Sindicato de Empresa Trabajadores de ANDA) und hatte verschiedene Funktionen innerhalb der Gewerkschaftsleitung inne. Zur Zeit ist er Generalsekretaer von S.E.T.A. .

Luis Rivera ist Campesino und ehrenamtlicher Mitarbeiter der Parroquia San Antonio del Mosco. Er ist aktiv in der Koordination des Widerstands gegen das geplante Staudammprojekt El Chaparral beim Río Torola im Nordosten El Salvadors.

Ort: Mehringhof (Versammlungsraum), Gneisenaustr.2a, 10 961 Berlin
Zeit: Donnerstag, 02.11.2006 um 19:00 Uhr
und
Öku-Büro München und attaCafé und FDCL laden ein:
Ort: attaCafé, Dieffenbachstrasse 63
Zeit: Freitag, 03.11.2006 um 19:00 Uhr

Seit einigen Jahren können wir weltweit Konflikte um die Kommerzialisierung und Privatisierung von Wasser verfolgen. Unter dem Druck knapper werden Ressourcen versuchen internationale Finanzorganisationen und Konzerne ein Gut von weltweit strategischer Bedeutung unter ihre Kontrolle zu bringen.
Nicht neu ist, dass die Folgen solcher Entwicklungen generell mehr zu Lasten des Südens gehen. Am Beispiel El Salvador wollen wir untersuchen, wie diese internationalen Entwicklungen sich vor Ort auswirken und auf welche Widerstandsmöglichkeiten die Bevölkerung zurückgreift. Wilfredo Romero, Gewerkschafter des nationalen Wasserunternehmens ANDA und Luis Rivera, Aktivist im Widerstand gegen das geplante Staudammprojekt El Chaparral werden über die Auseinandersetzungen um Staudammprojekte und die drohende Wasserprivatisierung berichten.
Gemeinsam wollen wir außerdem diskutieren, welche Rolle dabei die internationalen Finanzinstitutionen und der umstrittene neoliberale Entwicklungsplan Plan Puebla Panamá spielen.

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Politische Gewalt, Korruption und Demokratie in Peru. Vortrag und Diskussion mit Mariano Paliza (Journalist)

Ort: FDCL, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin, 3. Aufgang, 5. Stock
Zeit: Freitag, 03.11.2006 um 19:00 Uhr

Von der Unabhängigkeit, über die Herrschaft der Großgrundbesitzer, bis hin zur Bürgerbewegung der letzten Jahre war Peru von einigen wenigen zivil-militärischen Machtgruppen beherrscht, die den Staatapparat zur Beute ihrer Partikularinteressen machten.
Obwohl die Verfassung von 1979 die demokratischste der peruanischen Geschichte war, systematisierte und begründete sie auch die bis dahin schon vorhandene Vormachtstellung der Streitkräfte und ihr Ideensystem, indem sie ihre politische Rolle grundgesetzlich mit der Schaffung der „Sistema Nacional de Defensa“ anerkannte und damit den Weg bahnte für einer Art „Militarismus des 21. Jahrhunderts“.
Dessen erstes Produkt war die in zivil-militärischem Gewande auftretetende Diktatur unter Präsident Alberto Fujimori. Ergänzt wurde dieses Modell durch die Militärische Verfassung von 1993.
Zum Umbruch des neuen Millenniums nahm das peruanische Volk die Plätze und Straßen ein und stürzte das Fujimori-Regime auf der Suche nach einer gerechteren und demokratischeren Gesellschaft. Zwar gelang es der peruanischgen Gesellschaft nach der Flucht und Absetzung Fujimoris im November 2000 unter der Übergangsregierung („Gobierno de Transición“) von Valentin Paniagua ein paar kleine Schritte in Richtung demokratischerer Verhältnisse zu unternehmen. Doch mit der opportunistischen Regierung von Alejandro Toledo kam dieser demokratische Aufbruch schon bald zum Stillstand.
Eine der wichtigsten Initiativen in der Regierungszeit von Übergangspräsidenten Valentin Paniagua war die Einsetzung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission im Juni 2001, mit der die Menschenrechtsverletzungen in den Jahren von 1980 bis 2000 aufgeklärt werden sollten. Vermutlich mehr als 60.000 Tote, unzählige Opfer von Folter, Entführungen und „Verschwindenlassen“ sind die traurige Bilanz von 20 Jahren politischer Gewalt und Terror in Peru. Mehr als 600.000 Menschen wurden aus ihren Häusern vertrieben und leben noch heute als Flüchtlinge im eigenen Land.
Eine der bedeutende Leistung der Wahrheitskommission, deren Schlussbericht im August 2003 fertig gestellt worden war, ist, abgesehen von der Erfassung der Gewalt in Peru in den letzten Jahrzehnten, ihre Diagnose über das Fehlen eines „Grundvertrages“ der peruanischen Gesellschaft.
Wie wird Alan Garcia, der neue Präsident Perus mit diesem Erbe umgehen? Die ersten 100 Tage der neuen Regierung Garcias lassen nichts Gutes ahnen, erklärte doch Garcia die Wiedereinführung der Todesstraffe in Peru zur nationalen Priorität.

Veranstalter:
Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit dem FDCL e.V.
Diese Veranstaltung wird realisiert aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.
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Lesereise von Paco Ignacio Taibo II

Paco Ignacio Taibo II, Begründer des neuen mexikanischen Kriminalromans und Biograf Che Guevaras, wird im Rahmen einer bundesweiten Lesereise in Deutschland zu Gast sein.
Er wird seine zuletzt erschienenen literarischen Werke vorstellen: den Roman Die Rückkehr der Schatten, der vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs den Machenschaften deutscher Nazis in Mexiko nachgeht, sowie den gemeinsam mit Subcomandante Marcos verfassten Krimi Unbequeme Tote, in dem Héctor Belascoarán Shayne, unabhängiger Detektiv in Mexiko-Stadt, und Elías Contreras, »Ermittlungskommission« der EZLN, einer Spur folgen, die in die Zeit des schmutzigen Krieges zurückreicht.
Darüber hinaus wird Paco Ignacio Taibo II für Fragen zu den aktuellen sozialen Auseinandersetzungen in Mexiko zur Verfügung stehen.

Zeit: Montag, den 20. November um 20:00 Uhr
Ort: Im Mehringhof (Versammlungsraum, 1.St. links)
Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin (U-Bhf. Mehringdamm U6/U7)
Veranstalter: Buchladen Schwarze Risse in Kooperation mit Lateinamerika Nachrichten und FDCL
Kontakt: Buchladen Schwarze Risse, Tel.: 030-6928779, mehringhof@schwarzerisse.de

Kontakt für die Lesereise (Nürnberg, 15.11.; München, 16.11.; Heidelberg, 17. 11.):
Theo Bruns, Tel.: 040-80609208, E-Mail: theobruns@t-online.de

Bücher des Autors bei Assoziation A:
Taibo II, Paco Ignacio: 1968 und Gerufene Helden
Taibo II, Paco Ignacio: Erzengel
Taibo II, Paco Ignacio: Vier Hände
Taibo II, Paco Ignacio: Die Rückkehr der Schatten
Marcos | Taibo II: Unbequeme Tote

Informationen zu Paco Ignacio Taibo II:
Paco Ignacio Taibo II wurde 1949 in Gijon/Spanien geboren und emigrierte im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern nach Mexiko. Er studierte Literatur, Soziologie und Geschichte ohne Abschlüsse und arbeitete als Journalist, Universitätsdozent und Sachautor. Als Schriftsteller weltweit bekannt wurde er durch seinen „unabhängigen“ Detektiv Hector Belascoarán Shayne, der in der Bundeshauptstadt Mexico-Stadt seine Fälle bearbeitet, sowie durch seine Biografie des Ernesto Che Guevara.
Taibo ist Mitbegründer der Internationalen Vereinigung der Krimischriftsteller und Organisator der Semana Negra, einem jährlichen internationalen Krimifestival in Gijon, mit Lesungen, Kulturprogramm und Hunderttausenden Besuchern.
Umfassende Informationen zur Bio-Bibliografie Taibos finden sich auf einer Website der Alligatorpapiere. Eine weitere ausführliche Website zur Person gibt es in spanischer und italienischer Sprache bei vespito.net

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FDCL
Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.
Centro de Investigación y Documentación Chile-América Latina
Centro de Pesquisa e Documentação Chile-América Latina
Research and Documentation Center Chile-Latin America
Gneisenaustraße 2a
10961 Berlin, Alemania, Alemanha
Fon: 49-(0)30-693 40 29
Fax: 49-(0)30-692 65 90
email: fdcl-berlin(at)t-online.de

Weitere Informationen unter
http://www.fdcl.org

Kongress: Solidarische Oekonomie

Von 24. bis 26. November 2006 findet in Berlin in den Räumen der Technischen Universität der „Kongress Solidarische Ökonomie. Wie wollen wir wirtschaften?“ statt.
http://www.solidarische-oekonomie.de/
Unter anderem mit Themen wie „Daseinsvorsorge in Bürgerhand: Wasser und Strom“, „Perspektiven rückeroberter Betriebe“ oder „alte und neue Kooperativen in Venezuela“.

Weltweit entwickeln sich mit rasanter Geschwindigkeit Projekte einer anderen Ökonomie. In Lateinamerika, Asien und Afrika, aber auch in Europa suchen immer mehr Menschen nach wirtschaftlichen Alternativen. Gleichzeitig wächst die internationale globalisierungskritische Bewegung mit ihren politischen Forderungen. Diese Bewegung verbindet sich in einigen Ländern zunehmend mit der Solidarischen Ökonomie.

Auch in Deutschland gibt es einen großen Wirtschaftssektor Solidarischer Ökonomie, der sehr unterschiedliche Formen von Betrieben und Projekten umfasst, z.B. alte und neue Genossenschaften, selbstverwaltete Betriebe, Unternehmungen mit sozialer Zielsetzung, Wohn- und Gemeinschaftsprojekte, Tauschringe, alternative Finanzierungseinrichtungen, fairen Handel, landwirtschaftliche Direktvermarktung, Frauenprojekte, Initiativen für offenen Zugang zu Wissen und andere Formen wirtschaftlicher Selbsthilfe.

Die Zeit ist reif für einen Kongress, der diesen Wirtschaftssektor öffentlich darstellt und politische Fragen Solidarischer Ökonomie diskutiert; für einen Kongress, der Mut macht zu solidarischem ökonomischen Handeln, die vielfältigen Akteure zusammen bringt und einen Raum bietet für die Diskussion offener und kontroverser Fragen.

Neue Publikation: Bolivien

„Die Plünderung ist vorbei“. Boliviens Nationalisierung der Öl- und Gasindustrie von Thomas Fritz

Am 1. Mai 2006 machte die bolivianische Regierung international Schlagzeilen. Symbolträchtig verkündete Präsident Evo Morales die Nationalisierung der Öl- und Gasindustrie. „Die Plünderung der natürlichen Ressourcen ist vorbei“, rief er auf dem Gasfeld San Alberto im Süden Boliviens. Während auf den Maiveranstaltungen im ganzen Lande dieser Akt bejubelt wurde, gab sich die internationale Gemeinschaft besorgt. Die Demokratie sei in Gefahr, die Rechtssicherheit ohnehin, und das Land könne nur verlieren, so der Tenor. Die internationale Presse wiederum sorgte sich um die steigenden Energiepreise. Ihre bange Frage: Ist die Energieversorgung noch sicher, wenn in immer mehr Lieferländern der „Ressourcennationalismus“ um sich greift?

Über die Hintergründe, die zur bolivianischen Nationalisierung führten, gab es jedoch wenig zu erfahren. Weder wurde die Vorgeschichte noch die Reichweite dieses Schritts deutlich. Auch über die Hindernisse, die sich der neuen Regierung in den Weg legen mussten, war wenig zu lesen. Mit seiner neuen Veröffentlichung möchte das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) dazu beitragen, diese Lücke zu schließen.

Das FDCL-Hintergrundpapier schildert sowohl die sozialen Auseinandersetzungen, die zur Nationalisierung vom 1. Mai führten, als auch die aktuellen Widerstände, mit denen sich die Regierung konfrontiert sieht. Neben Analysen des Nationalisierungsdekrets und der verschiedenen Druckmittel der Petrofirmen bietet das Papier einen kritischen Blick auf die Schattenseiten der Öl- und Gasproduktion: die zunehmende Rohstoffabhängigkeit und die Zerstörung der Lebensgrundlagen lokaler Gemeinschaften. Mit der Nationalisierung stellt sich auch in Bolivien die Frage nach einem Entwicklungsmodell „jenseits von Öl und Gas“.

Mehr und Ihaltsverzeichnis beim Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. (FDCL)

Neue Publikation: Schleichende Privatisierung. Kritik der deutschen und internationalen Entwicklungshilfe im Wassersektor

Für das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) und die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21) legt Thomas Fritz eine aktuelle Bestandsaufnahme und Kritik der modernisierten Privatisierungsstrategie der deutschen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit im Wassersektor vor. Download als pdf: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=678

Trotz zahlreicher Rückschläge und teilweisem Rückzug einzelner Wasserkonzerne aus Entwicklungsländern halten die bilaterale und multilaterale Entwicklungshilfe unbeirrt an ihren Privatisierungszielen fest. Selbst die in mehreren Evaluierungen bestätigte, vollkommen mangelhafte Armutswirkung der deutschen Wasserprojekte führt zu keiner Trendumkehr. Im Gegenteil: Zunehmend deutlicher kristallisiert sich eine lediglich modifizierte Strategie schleichender, schrittweiser Privatisierung heraus. Es ist zu befürchten, dass diese Strategie in das geplante neue Wasserkonzept des Bundesentwicklungsministeriums Eingang findet.

Diese neue Publikation der beiden Berliner entwicklungspolitischen Organisationen stellt zum einen die wichtigsten Privatisierungstrends auf multilateraler Ebene dar, in die sich die deutsche Entwicklungshilfe bruchlos einfügt. Zum anderen schildert sie die ernüchternden Erfahrungen mit den deutschen Public-Private-Partnerships im Wassersektor. Am Beispiel Boliviens liefert sie Einblicke in die undemokratische Privatisierungspraxis der beiden deutschen Entwicklungsagenturen GTZ und KfW. Das Papier kommt zu dem Schluss, dass sich entgegen aller offiziellen Mythen die Wasserprivatisierung als überaus ineffizient erweist. Während die erhofften Neuinvestitionen äußerst gering ausfallen, werden öffentliche Kassen und Gebührenzahler zunehmend geschröpft.

Inhalt:

1. EINFÜHRUNG
2. PRIVATISIERUNGSSTRATEGIE DER MULTILATERALEN ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
2.1. Trotz Misserfolgen: Die Wasserprivatisierung geht weiter
2.2. Die neue Konditionalität der Privatisierung
2.2.1. Ownership und Selektivität
2.2.2. Die Formierung des Hilfskartells
2.3. Die Weltbank: Finanzier und Ideologe der Privatisierung
2.3.1. Die Private Sector Development Strategy
2.3.2. Output-based Aid
2.3.3. Exklusive Finanzierung statt explizite Konditionalität
2.3.4. Die Water Resources Sector Strategy
2.3.5. Ideologischer Kampf um Finanzierungsbedarf
2.3.6. Der Mythos von der Mobilisierung privaten Kapitals
2.3.7. Riskante internationale Finanzierung
2.3.8. Kostendeckende Tarife: Die Ärmsten schröpfen
2.4. Harmonisierung der Geberpraktiken: Die Rolle der OECD
2.4.1. Die Entstaatlichung des Wassersektors
2.5. Die Globalisierung der Lieferbindung: Multi-Geber-Initiativen
2.5.1. Public-Private Infrastructure Advisory Facility
2.5.2. Emerging Africa Infrastructure Fund
2.5.3. Water and Sanitation Program
2.5.4. Global Water Partnership
2.5.5. European Water Initiative und EU Water Facility
3. PRIVATISIERUNGSSTRATEGIE DER DEUTSCHEN ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
3.1. Die Fusion von Entwicklungshilfe und Wirtschaftsförderung
3.1.1. Bedeutung der deutschen Entwicklungshilfe im Wassersektor
3.1.2. Deutsche Interessen am globalen Wassermarkt
3.1.3. Neoliberales Staatsverständnis des Entwicklungsministeriums
3.1.4. Das Dogma der „Entwicklungspartnerschaft“
3.2. Erfahrungen mit deutschen Public Private Partnerships im Wassersektor
3.2.1. PPPs: teuer…
3.2.2. … und ineffizient
3.2.3. Armutsorientierung mangelhaft
3.2.4. Schleichende Privatisierung
3.2.5. Manufacturing Consent
3.3. Mit dem Strom schwimmen: Deutsche Ziele in den Entwicklungsbanken
3.4. Bolivien: Die ‚ehrlichen Makler‘ in Aktion
3.4.1. Das Gesetz 2029 und die Enteignung der Wasserkomitees
3.4.2. Rollenkonflikt: Die GTZ als Moderator und Partei
3.4.3. Der deutsche Plan Bolivia
3.4.4. Widerstand gegen Aktienmodell
3.4.5. Aguas del Illimani: Deutschland greift ein
3.4.6. Entwicklungszusammenarbeit versus Demokratie
3.5. Weiter auf dem Privatisierungspfad: Empfehlungen der BMZ-Gutachten
4. DER PRIVATISIERUNG WIDERSTEHEN
5. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
6. LITERATUR

Weitere Informationen finden sich unter: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=678

Diese Publikation ist Teil des Projektes „Schleichende Privatisierung. Das „deutsche Modell“ der Wasserversorgung in Bolivien“, gefördert von der Bewegungsstiftung. Weitere Informationen dazu finden sich unter: http://www.fdcl-berlin.de/index.php?id=597

Privatisierung: Fluch oder Segen? Um den Rohstoff Wasser ist ein Meinungsstreit zwischen Entwicklungsorganisationen und Wirtschaft im Gang

Heute haben 1,4 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Ist es zulässig, dass private Firmen in die Lücke springen? Oder darf Wasser nur vom Staat angeboten werden, wie es die Kirchen und Entwicklungsorganisationen fordern?
«In den letzten Jahren haben Aktienfonds ein neues, attraktiv erscheinendes Objekt der Begierde entdeckt: Unternehmungen, die ihr Geld mit Wasser verdienen. Auch Fonds, die ökologische und soziale Ansprüche erfüllen wollen, gehen gern auf Aktien aus diesem Bereich aus», schreibt der deutsche Journalist und Buchautor Frank Kürschner-Pelkmann. «Wer in Aktien solcher Unternehmungen investiert, sollte sich vorab überlegen, auf welcher Seite er oder sie im Konfliktfall steht, wenn wieder Menschen gegen die Ergebnisse der Wasserprivatisierung in ihrer Stadt in Afrika oder Lateinamerika, Asien oder Europa protestieren oder diese Privatisierung verhindern wollen», hält er weiter fest.

Kirchen als Kritiker
«Wasser ist Menschenrecht – nicht Handelsware», stellte Samuel Lutz, Synodalratspräsident der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, an einer Veranstaltung von Multiwatch in Bern fest. «Wasser als eine Grundvoraussetzung für alles Leben ist grundsätzlich ein gemeinsames Gut, das nicht zu privatisieren ist», sagte er. Er stützte sich bei seinen Ausführungen auf die Ökumenische Erklärung zum Wasser als Menschenrecht und als öffentliches Gut, welche von den Kirchen im April 2005 in Freiburg abgegeben wurde. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke sowie die Erklärung von Bern lehnen die private Nutzung von Wasserquellen ab.
Eine differenzierte Haltung nimmt Donald Tillman ein, Analyst bei der SAM Sustainable Asset Management in Zürich. Die SAM-Gruppe wurde 1995 als unabhängige Vermögensverwaltungsgesellschaft für nachhaltige Anlagen gegründet. Sie bietet unter anderem den nachhaltigen SAM-Wasserfonds an. In «SAM Insight» aus dem Jahr 2003 stellte Tillman die These auf: «Die Weltwasserkrise wird durch Grosskonzerne weder gemacht noch verhindert.» Weniger als 7% der Menschen erhielten heute ihr Wasser von privaten Firmen. Das seien nur 400 Millionen von 6 Milliarden Menschen. Die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser soll laut den Millenniumszielen der UNO bis 2015 halbiert werden. Die Industrieländer werden den Entwicklungsländern kaum genügend Mittel zur Verfügung stellen, damit sie dieses Ziel erreichen – das ist Tillmans zweite These.

«Druck durch die Privatisierung fördert die Wettbewerbsdenkweise», lautet seine dritte These.
Wasserversorgungsunternehmen seien traditionell träge Industriezweige. Der Privatisierungsdruck habe sich deshalb insgesamt positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der öffentlichen Versorger ausgewirkt.
Tillman ist allerdings kein Befürworter schrankenloser Privatisierungen. Er zeigt sich auch skeptisch gegenüber einer radikalen Liberalisierung im Rahmen des Gats-Abkommens der WTO. Wasserversorgungen seien heute natürliche Monopole. Deshalb wäre es falsch, staatliche Monopole durch private Monopole ohne öffentliche Kontrollmechanismen zu ersetzen. Auf der andern Seite sei die Gefahr, dass Wasser verschwendet werde, bei staatlichen Wasserfirmen tendenziell höher.
«Nur wenn Wasser ein beschränktes Handelsgut mit staatlichen Leitlinien ist, können die Anreizsysteme so gesetzt werden, dass in Zukunft mit Wasser nachhaltiger umgegangen wird», lautet Tillmans Fazit.

WWF-Direktor im Fondsbeirat
Während die meisten Nichtregierungsorganisationen (NGO) Privatisierungen von Wasserquellen und Wasserversorgungen generell ablehnen, sitzt Claude Martin, Direktor des WWF International in Gland, im Beirat des SAM-Wasserfonds.
Es gebe durchaus berechtigte Bedenken gegenüber der Privatisierung der Trinkwasserversorgung. Allerdings werde in diesem Zusammenhang auch viel Unsinn gepredigt, hielt Martin fest: Die schlimmsten Wasserverluste durch eine schlechte Infrastruktur gebe es in den öffentlichen Wasserversorgungen der Entwicklungsländer. «Und die allerhöchsten Wasserpreise bezahlen bereits heute die Ärmsten, die Wasser zu horrenden Preisen kaufen müssen.»
Er stehe voll hinter den Prinzipien von SAM, betonte Martin. Die Anlagegesellschaft habe sich mit ihrem Wasserfonds zum Ziel gesetzt, mit nachhaltiger und effizienter Wassernutzung die Wasserkrise etwas mildern zu können. Die Frage sei deshalb nicht, ob private Investitionen in Wasseranlagen überhaupt vertretbar seien. Entscheidend sei vielmehr, dass die Investitionen in die Wasserversorgung, Wasserverteilung und Wasserentsorgung ethisch vertretbar und in Bezug auf die Umwelt nachhaltig seien.
Hans Galli
Quelle: Tagblatt, 21.03.2006

"Vorbildfunktion fuer ganz Lateinamerika"

Edgardo Lander, Berater des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, über die neue Rolle des Erdölproduzenten Venezuela, darüber, warum die US-Regierung so verärgert ist und warum die EU auch nicht besser ist.
taz: Venezuelas Präsident Hugo Chávez ist einer der wenigen Regierungschefs, die sich offen den USA entgegenstellen. Hat Ihr Land gar keine Angst vor der größten Militärmacht der Welt?
Edgardo Lander: Doch. Wir fürchten langfristig sogar einen militärischen Angriff. Noch sind die USA im Irak gebunden. Aber wenn sie wieder freie militärische Kapazitäten haben, könnte es sein, dass sie sich auf uns konzentrieren.
Weil Präsident Chávez so viel im Fernsehen redet und die USA provoziert?
Weil wir über die größten Ölvorkommen des amerikanischen Kontinents verfügen. Neben dem Irak ist Venezuela eines der wenigen Länder, die ihre Förderung noch steigern können. Leider betrachten die USA seit der Monroe-Doktrin von 1823 Lateinamerika als ihren Hinterhof. Sie glauben daher, dass unsere Ölreserven eigentlich ihnen gehören. Vielleicht wird Venezuela ja bald zu einer Gefahr für die nationale Sicherheit der USA erklärt.
Zur Zeit konzentrieren sich die militärischen Drohungen der USA aber mehr auf den Iran.
Der Iran ist isolierter als Venezuela. Wir haben in den letzten Jahren viel für unsere außenpolitischen Beziehungen getan. Gegenüber anderen lateinamerikanischen Staaten, China und Frankreich. Das macht es den USA schwer, uns zu drohen.
Wovor haben die USA denn Angst?
Die Macht der USA stützt sich ja auf die Sonderrolle des Dollars als weltweite Reservewährung. Wir haben unsere Währungsreserven in Euro umgetauscht. Wenn Länder wie China, Japan oder Saudi-Arabien unserem Beispiel folgen, dann wäre es um die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA geschehen. Auch die Art und Weise, wie wir die gesamtamerikanische Freihandelszone (ALCA) sabotiert haben, dürfte die USA sehr geärgert haben. Außerdem hat Venezuelas Souveränität eine Vorbildfunktion für ganz Lateinamerika.
Stört der Führungsanspruch Venezuelas nicht die anderen lateinamerikanischen Staaten?
Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern hat Venezuela durch seine Ölvorkommen finanzielle Spielräume. Das drängt uns gewissermaßen in diese Rolle. Früher war Venezuela wie viele lateinamerikanische Staaten eher isoliert. Die neoliberale Wirtschaftspolitik hatte in fast allen Ländern Lateinamerikas den Binnenmarkt zerstört. So ist eine starke Abhängigkeit vom Export entstanden. Da fast alle die gleichen Güter exportierten, müssen sie untereinander konkurrieren. Nur vor diesem Hintergrund versteht man, wie revolutionär unsere Bemühungen um einen lateinamerikanischen Binnenmarkt sind.
Und warum war das all die Jahre vorher nicht möglich?
Weil die herrschende Elite sich eher den USA als Venezuela zugehörig fühlte. Ein Beispiel dafür ist unsere Ölfirma PDVSA. Obwohl sie seit den 70er-Jahren staatlich ist, ging es den liberalen Eliten im Vorstand darum, dem Staat so wenig wie möglich zu geben. Bis 1999 wurde unser Öl zu einem Drittel des Weltmarktpreises, damals 7 Dollar, verscherbelt. Die Ölfirma hatte trotzdem eine Rendite, die zweieinhalb Mal so groß war wie das venezolanische Staatseinkommen. Seit Chávez an der Macht ist, hat er gezeigt, dass er die Verhältnissen wirklich ändern will.
Doch auch heute wird Chávez Populismus vorgeworfen.
Das ist doch die typische Propaganda der Wirtschaftseliten. Wer die Interessen des Volkes vertritt, gilt als Populist. Unsere Regierung stand vor dem Problem, mit einem Staatsapparat agieren zu müssen, der von den alten Kräften durchsetzt war. Das führte dazu, dass wir uns bei unseren Reformen nicht einfach auf die bestehenden staatlichen Institutionen stützen konnten. So schickten wir zum Beispiel einfach ohne direkte Beteiligung des Gesundheitsbehörden tausende kubanische Ärzte in die sozial schwachen Gebiete.
Könnte Europa in diesem Prozess der lateinamerikanischen Emanzipation nicht eine Rolle spielen?
Als der argentinische Staat durch den IWF in die Pleite getrieben wurde, haben sich europäische Firmen leider genauso an der Plünderung öffentlicher Güter beteiligt wie die USA. Spanische Firmen haben den argentinischen Ölkonzern und das Telekommunikationsnetz zu einem Spottpreis aufgekauft. Während Frankreich sich die argentinischen Wasserwerke angeeignet hat. Ich bin daher sehr skeptisch, dass ein wiedererstarktes Europa sich sehr viel anders als die USA verhalten würde.
INTERVIEW: HAUKE RITZ
taz Nr. 7830 vom 26.11.2005, Seite 12, 147 Interview HAUKE RITZ

Antiprivatisierungs-Party in South Central, L.A.

‚Aqui estamos y no nos vamos!‘ Frei übersetzt: ‚Hier sind wir und hier bleiben wir!‘ Unter diesem Motto veranstalteten die South Central Farmer am vergangen Dienstag ein riesiges Umsonst-Konzert in ihren Gärten in South Central, L.A. Über 2000 Gäste kamen, um die Farmer in ihrem Kampf gegen ein geplantes kommerzielles Bauprojekt auf dem Grundstück zu unterstützen. Die vorwiegend lateinamerikanischen MigrantInnen hatten 1992 begonnen, auf einer ungenutzten öffentlichen Industriebrache Obst- und Gemüsegärten anzulegen. Mit knapp 6 Hektar Größe stellt das Gelände das wohl größte innerstädtische Farmland in den gesamten USA dar. Selbstverwaltet und nicht-kommerziell. Mittlerweile werden die Gärten von 350 Familien bewirtschaftet. Eine grüne Oase im sozial schwachen Stadtviertel South Central.
Seit 2002 steht das Projekt jedoch kurz vor dem aus. In einem windigen Deal verkaufte die Stadt das Gelände an den Unternehmer Ralph Horowitz. Dieser plant nun, das Grundstück mit Lagerhallen zu bebauen. Mehr >>>

Globalisierung von Finanzdienstleistungen

Politische Kämpfe, Erfahrungen und Alternativen Internationale Konferenz vom 2. bis 4. Dezember 2005 im Gustav Stresemann Institut in Bonn.
Finanzdienstleistungen sind das Nervensystem der Wirtschaft. Ihrer weiteren Liberalisierung kommt eine Schlüsselstellung in der neoliberalen Globalisierung zu. Es wird geschätzt, dass die jährlichen Erträge aus dem Handel mit Finanzdienstleistungen von aktuell 2 Bio. US-Dollar auf 6 Bio. US-Dollar im Jahr 2020 steigen. Die höchsten Wachstumsraten werden in Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien, Mexiko oder Russland erwartet.
Vor allem die USA und die EU haben ein großes Interesse daran, neue Märkte für ihre Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften zu erschließen. Im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) wird daher auf die weitere
Liberalisierung des Handels mit Finanzdienstleistungen gedrängt. Doch profitieren auch Entwicklungs- und Schwellenländer von dem Handel mit Finanzdienstleistungen? Welche Auswirkungen hat eine Liberalisierung für Beschäftigte, Konsumenten und die lokale Wirtschaft? Wem nützt eine Privatisierung der Alterversorgung und welche Erfahrungen wurden mit Rentenreformen in anderen Ländern gemacht? Wie müssen Finanzmärkte gestaltet sein, um wirksam Armut bekämpfen und einen nachhaltigen Entwicklungsprozess unterstützen zu können?
Diese Fragen sind Gegenstand der von WEED organisierten dreitägigen internationalen Konferenz, die aus vier inhaltlichen Teilen besteht:
1) Erzwungene Liberalisierung? Erfahrungen aus Entwicklungsländern
2) Chancen und Risiken der Liberalisierung von Finanzdienstleistungen
3) Privatisierung der Rente: Erfahrungen und Perspektiven
4) Alternativen: Lassen Sie ihr Geld für Entwicklung arbeiten – aber wie?
Eingeladen sind ReferentInnen aus Asien, Afrika und Lateinamerika, MitarbeiterInnen von internationalen Organisationen und Ministerien sowie VertreterInnen aus Wissenschaft, Politik, Vereinen und Verbänden, Gewerkschaften, Privatwirtschaft und Medien. Diskussionsrunden und Workshops bieten die Gelegenheit zum kontroversen Meinungsaustausch, zur Vertiefung von Kenntnissen sowie zur Erarbeitung von Alternativen.
Die Konferenz beginnt am Freitag, den 2. Dezember, um 14:00 Uhr und endet am Sonntag, den 4. Dezember, um13:00 Uhr. Die Teilnahmegebühr beträgt 40 Euro (mit Übernachtung) bzw. 10 Euro (ohne Übernachtung). Bitte melden Sie sich so bald wie möglich, spätestens jedoch bis 24.11.05 an. Entweder per Fax oder E-mail mit dem beigefügten Formular an: Bodo Ellmers, bodo.ellmers@weed-online.org, Fax. 030/275 96 928, oder online bei www.financeconference.org/anmeldung
Nähere Informationen zur Konferenz finden Sie unter http://www.financeconference.org

Private Kriegsdienstleister militarisieren Lateinamerika

In Südamerika haben sich die USA fast unbemerkt in diverse Kriege eingekauft, ohne die rote Linie überschreiten zu müssen: Seit zehn Jahren haben die USA stillschweigend in Lateinamerika aufgerüstet. Jenseits weltpolitischer Brennpunkte und unbehelligt von medialer Aufmerksamkeit richteten sie neue Stützpunkte ein. Mit einem simplen Trick wurden unzählige „Militärberater“ in den Andenstaaten stationiert, ohne dass etwa die Öffentlichkeit in den USA und anderswo weiß, wie viele es sind und was sie eigentlich tun. Mehr im Freitag.

Neuerscheinung: Kurzschluss. Privatisierung von Energieversorgung im Sueden und die Rolle von Konzernen, Weltbank und GATS

Von Barbara Dickhaus ist bei weed eine neue Broschüre erschienen. Aus der Ankündigung: „Energieversorgung ist von grundlegender Bedeutung für gesellschaftliche Entwicklung. Aufgrund dieser wichtigen sozialen und wirtschaftlichen Rolle wurde Energieversorgung lange Zeit durch staatliche Unternehmen bzw. als öffentliche Dienstleistung bereitgestellt. In den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas wurde öffentliche Energieversorgung jahrzehntelang nicht nur von den Regierungen sondern auch durch Internationale Organisationen und Gelder der Entwicklungszusammenarbeit finanziert. Doch diese Rahmenbedingungen der Energieversorgung haben sich mit dem Liberalisierungsprozess seit den 1980ern grundlegend geändert. Dabei zeichnet sich eine Mehrebenenpolitik ab: Von verschiedenen Akteuren und auf unterschiedlichen Ebenen werden Privatisierung und Liberalisierung forciert und Investitionsrechte internationaler Konzerne juristisch abgesichert. Durch die von Weltbank, transnationalen Konzernen und WTO vorangetriebene internationale Handels- und Investitionspolitik im Energiesektor werden die zentralen Prinzipien von Versorgungsgerechtigkeit und demokratischer Entwicklung unterminiert. In der Studie werden die Ziele und Strategien der zentralen Akteure von Energieprivatisierung im Süden kritisch analysiert und Ansatzpunkte für die Entwicklung von Alternativen vorgestellt.“
Aus dem Inhalt:
* Energieversorgung als öffentliche Dienstleistung: Versorgungsgerechtigkeit und wirtschaftspolitische Zielsetzungen
* Akteure, Institutionen und Strategien der Privatisierung im Energiesektor: nationale Regierungen, regionale Freihandelsabkommen, Weltbank, GATS und TNK (Mehrebenenpolitik)
* TNK und private Beratungsunternehmen als Profiteure der Privatisierung
* Das GATS als Instrument der weltweiten Liberalisierungspolitik
* Ansatzpunkte und Kriterien für die Entwicklung von Alternativen zur Privatisierung von Energieversorgung
>>> http://www.weed-online.org/themen/84686.html

LeMondeDiplomatique-Dossier: Soeldner und Privatpolizisten. Outsourcing, das Irak-Experiment

Von Sami Makki *
* Forscher am Centre Interdisciplinaire de Recherches sur la Paix et d’Études Stratégiques (Cirpes) in Paris; Autor von „Militarisation de l’humanitaire, privatisation du militaire“, Paris (Cirpes) 2004.
Niccolò Machiavelli hielt nicht viel von den Söldnertruppen, mit denen die Herrscher im Mittelalter ihre Feldzüge bestritten. Der Philosoph riet seinem „Principe“, sich besser nicht auf sie zu verlassen, seien sie doch „uneinig, herrschsüchtig, undiszipliniert und treulos; mutig unter Freunden und feige vor dem Feind; ohne Furcht vor Gott und ohne Treue gegenüber den Menschen“. Heute gelten Privatsoldaten als kostengünstige Subunternehmer von „Sicherheitsdienstleistlern“, denen im Irak jährlich mehrere Milliarden Dollar aus dem US-Militärbudget zufließen. In Kolumbien hängen Söldneranbieter an der Nadel des Drogenkriegs. Auch in Afrika eröffnen sich den „vaterlandslosen Soldaten“ neue Betätigungsfelder, weil die Rohstoffe des Kontinents immer interessanter werden. Ein Dossier.

Bereits einige Monate nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein waren im Irak knapp 20 000 Beschäftigte privater Sicherheitsunternehmen tätig. Deren Einsatz beruht auf dem wachsenden Sicherheitsbedürfnis der vielen Abgesandten von internationalen Organisationen und der amerikanischen Investoren vor Ort. Laut einem Bericht des US-Außenministeriums vom Mai 2004(1) wurden angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage mehr als 25 überwiegend britische und amerikanische Söldnerfirmen angeheuert. Diese so genannten PMCs, Private Military Companies, sind jedoch nur der sichtbare Teil eines umfassenderen Schattenreiches.

Infolge der Globalisierung des militärisch-industriellen Komplexes, der „Rationalisierung“ des Militärbudgets und schrumpfender Truppenstärke verstärken die US-Streitkräfte ihr „Outsourcing“. Eine solche Auftragsvergabe an private Subunternehmer folgt dem Gebot der neoliberalen Privatisierungspolitik und zielt auf eine Risikoteilung zwischen Staat und Privatsektor ab.(2) Angesichts knapper Kassen sollen derartige öffentlich-private Partnerschaften, die als sparsam und effizient gelten, die Militärausgaben verringern. Dies gilt nicht nur für militärpolizeiliche Aufgaben wie im Irak, sondern auch für die „privatisierte“ Entwicklung der Armeeausrüstung. So können am besten an anderer Stelle Mittel für die Entwicklung und Beschaffung neuer Waffensysteme freigesetzt werden. So behauptete das US-Verteidigungsministerium 2002, durch Outsourcing ließen sich zwischen 1997 und 2005 über 11 Milliarden Dollar einsparen. Die Ankündigung sollte wohl in erster Linie die Folgen der organisatorischen und wirtschaftlichen Umstrukturierung des Verteidigungssektors und den damit einhergehenden Abbau von Beschäftigten zugunsten des Privatsektors verschleiern.

Harsche Kritik wurde daher laut, als die US-Streitkräfte im Oktober 2002 das geplante „Outsourcen“ weiterer 200 000 Beschäftigten bekannt gaben. Experten meldeten Zweifel an, ob die radikale Reform eine höhere Effizienz gewährleisten würde.(3) Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Bundesangestellten, Robert Harnage, gab 2003 zu bedenken, dass „die Zahl der Beschäftigten bei privaten Auftragnehmern des Verteidigungsministeriums die Zahl der Zivilbeamten um das Vierfache“ übersteige. Outsourcing bedeute nicht „Abschaffung von Arbeitsplätzen, sondern Abschaffung von Verantwortlichkeit“.(4)

Im Rahmen des Outsourcings von Dienstleistungen für Truppen im Auslandseinsatz unterzeichnete die US-Administration zwischen 1994 und 2004 über 3 000 Verträge, darunter auch mit diversen Söldnerfirmen wie der DynCorp, der Military Professional Ressources Inc. (MPRI) und Kellogg Brown & Root (KBR). Das Gesamtauftragsvolumen der letzten zehn Jahre lag bei über 300 Milliarden Dollar. Nicht nur für reguläre Truppenverbände, sondern auch im Bereich von Logistik, Instandhaltung und Wartung der Waffensysteme sind immer mehr Beschäftigte des Privatsektors tätig. Während noch im ersten Golfkrieg 1991 auf 100 Soldaten ein privat Beschäftigter kam, waren es im vorigen Jahr bereits zehn. Derzeit stellen die PMCs im Irak eine Art zweite Besatzungstruppe dar, deren Gesamtstärke einem Fünftel der US-Streitkräfte entspricht.

Von den jährlichen Einsparungen in Höhe von 4,5 bis 6 Milliarden Dollar, die sich das Pentagon von der Umstrukturierung erhoffte, ist bislang nicht viel zu spüren. Prüfungen des US-Rechnungshofs ergaben, dass die tatsächlichen Kosten bei etlichen Verträgen die Vorabschätzungen deutlich überstiegen und für Dienstleistungen im Irak überhöhte Rechnungen vorgelegt wurden.(5) Der Ölkonzern Halliburton etwa, dem bis 2000 US-Vizepräsident Cheney vorstand, erhielt über seine Tochterfirma KBR voriges Jahr Aufträge über mehr als 1 Milliarde Dollar. Die undurchsichtige Auftragsvergabe sorgte für einen Skandal, der erneut die Interessenverquickung zwischen der Bush-Administration und US-Konzernen des militärisch-industriellen Komplexes deutlich machte.(6)

Abgesehen vom Sparen und Privatisieren spielen beim Outsourcing auch strategische Überlegungen eine Rolle. Gegen den „Terrorismus“ führen die USA weltweit einen Krieg geringer Intensität – im Jargon der Militärs eine low intensity warfare -, der auf eigenständigen strategischen und taktischen Zielen beruht. Entsprechend ihrer Militärdoktrin wollen die USA zudem in der Lage sein, mehrere größere Konfrontationen gleichzeitig zu bestehen. Eine Schwächung ihrer Führungsrolle durch den Rückzug aus strategisch minder wichtigen Regionen können sie aber nicht hinnehmen. Das Delegieren soll daher die regulären Streitkräfte von Missionen entlasten, die für die nationale Sicherheit geringere Priorität haben.

Im Rahmen des Outsourcing-Programms sollen die Streitkräfte außerdem flexibler und schneller werden, indem administrative Kontrollen und bürokratische Verfahren abgeschafft werden. Darüber hinaus bietet dieses Programm die Möglichkeit, die Außenpolitik der Kontrolle durch den US-Kongress zu entziehen. So können private Einheiten aktiv werden, auch wenn offiziell keine Bodentruppen entsandt werden dürfen. Auch Vorgaben wie das „Null Tote“-Ziel einer Mission lassen sich auf diese Weise unschwer umgehen. Operationen werden möglich, die im Widerspruch zur „offiziellen“ Militärstrategie stehen, wie es etwa im Bosnienkonflikt der Fall war: Hier ließ die US-Regierung – obwohl sie sich offiziell zur Neutralität und zur Mitwirkung an friedenserhaltenden Maßnahmen bekannte – der Söldnerfirma MPRI freie Hand, unter Verletzung des UN-Embargos die kroatisch-muslimischen Truppen mit Waffen zu versorgen und auszubilden.(7)

In den 1990er-Jahren haben US-Söldnerfirmen wie die Vinell Corporation, MPRI, Cubic und Logicon im Rahmen militärischer Kooperationsabkommen die Streitkräfte von über 40 Ländern ausgebildet und trainiert.(8) Die dadurch geknüpften Beziehungen erwiesen sich in Lateinamerika, Afrika und im Nahen Osten als ein hervorragendes Instrument zur Verbreitung von US-Militärnormen und zum Abschluss von Ad-hoc-Bündnissen. Auf dem afrikanischen Kontinent sind Söldnerfirmen mit logistischen Aufgaben für das US-Militär betraut – dazu gehört sogar das Erstellen von Expertisen für schnelle Eingreifoperationen.

Söldnerfirmen spielen im US-Verteidigungssystem und bei der logistischen Unterstützung ausländischer Kampfeinsätze(9) inzwischen also eine vitale Rolle. Viele von ihnen haben es im Laufe der letzten Jahre geschafft, sich durch intensive Lobbyarbeit als leistungsfähige Partner bei der Durchführung friedenserhaltender Maßnahmen zu profilieren. Damit entsteht aber die Gefahr, dass der Unterschied zwischen Entwicklungshilfe, humanitärer Hilfe und Militäreinsätzen noch weiter verwischt wird. Dies gefährdet insbesondere die Beschäftigten rein ziviler Organisationen, die mit Bedacht auf militärischen Schutz verzichten, weil er ihre Arbeit diskreditieren würde.

Im Hinblick auf die Expansion privatmilitärischer Aktivitäten kam es in den vergangenen fünf Jahren zu einer umfassenden Neustrukturierung der US-amerikanischen Rüstungsindustrie. Dazu gehörten zahlreiche Fusionen und Unternehmensübernahmen.(10) Für die multinationalen Konzerne, die den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie als Mittel zur „Beherrschung des Schlachtfelds der Zukunft“ propagieren, eröffnet sich hier ein lukrativer Markt. So erklärte Vorstandschef Frank Lanza von L-3 Communications bei der Übernahme von MPRI vor vier Jahren: „MPRI ist ein stark expandierendes Unternehmen, das im Bereich der Truppenausbildung hohe Gewinnmargen und Wettbewerbsvorteile wie kein anderes Unternehmen vorzuweisen hat und dessen Dienstleistungen unsere Produktpalette hervorragend ergänzen. […] MPRI ist auch auf der internationalen Bühne sehr aktiv, da der politische Klimawechsel mit einer wachsenden Nachfrage nach bestimmten Dienstleistungen einherging. […] Im Übrigen haben die genannten Programme die Tendenz, sich auszuweiten und uns weitere Auftragschancen zu eröffnen.“(11)

Die Kehrseite der Medaille: Die Söldnerfirmen lassen sich, wie der US-Bundesrechnungshof hervorgehoben hat, kaum kontrollieren. Kein zentralisiertes System, urteilt er, sei in der Lage, die zahllosen Outsourcing-Verträge der einzelnen US-Regierungsbehörden zu überblicken.(12) Obwohl die Vermarktung militärischer Dienstleistungen in den USA staatlicher Kontrolle unterliegt, ist es gängige Regierungspraxis, die Bestimmungen zumal in den Bereichen Informationsbeschaffung und Sonderoperationen so weit wie möglich auszulegen.(13)

Gesetzeslücken auszunutzen spielt für die republikanische Administration bei der wirksamen Bekämpfung des Terrorismus eine wichtige Rolle. Seine Grenzen findet der zunehmende Einsatz von Söldnertruppen allerdings dort, wo die Verantwortung der Politik gefragt ist. Denn die marktwirtschaftliche Dynamik kann zu unerwünschten Spannungen und anderen gravierenden Fehlentwicklungen führen.(14) Schon heute gefährdet die wachsende Nachfrage nach geeignetem Personal gelegentlich die Rekrutierungsbedürfnisse der Berufsarmee.

Anfang 2004 wurde außerdem bekannt, dass auch Angestellte der US-Söldnerfirmen Caci und Titan an der Misshandlung irakischer Kriegsgefangener beteiligt waren. Kenneth Roth, Geschäftsführer von Human Rights Watch, erklärte dazu: „Wenn das Pentagon schon beabsichtigt, Privatunternehmen mit militärischen und nachrichtendienstlichen Missionen zu betrauen, so muss es sicherstellen, dass diese Firmen strengen Auflagen und gesetzlicher Kontrolle unterliegen.“ Könnten sie „im rechtsfreien Raum handeln, käme dies einer Aufforderung zum Missbrauch gleich“. Und selbst die regierungsnahe National Defense University räumte in einem Bericht aus dem Jahr 2000 ein: „Privatisierung ist vielleicht weniger kostspielig als eine Militärintervention, doch die Qualität des Resultats und die Achtung der Menschenrechte könnten darunter leiden.“(15)

Als Ziel von Outsourcing unterscheidet man herkömmlicherweise zwischen Dienstleistungen zur Unterstützung der regulären Streitkräfte, also Tätigkeiten „im Hintergrund“ sowie „in der Etappe“, und im engeren Sinn operativen Funktionen auf dem Schlachtfeld. Doch seit dem 11. September ist die Grenze zwischen beiden Bereichen unscharf geworden.

Nach der Niederlage der irakischen Armee wurden Bewachungsaufgaben rasch an Privatunternehmen übertragen, ohne dass man über die Mittel verfügte, diese effektiv zu kontrollieren. Im September 2003 gab die US-Regierung bekannt, sie werde die Erinys Iraq Ltd. mit der Ausbildung von mehreren tausend Irakern beauftragen, die künftig die wiederholt attackierte Pipeline zwischen Kirkuk und dem türkischen Hafen Ceyhan überwachen sollen. Unter dem Führungspersonal und den Ausbildern der für Erinys Iraq arbeitenden Rekruten finden sich auch viele Spezialisten der südafrikanischen Polizei.

Negative Folgen hat diese Privatisierungsdynamik vor allem für die westlichen Sicherheits- und Militärinstitutionen. Nicht wenige Spezialisten für Sondereinsätze wandern wegen der bis zu zehnmal höheren Gehälter in den Privatsektor ab.(16) Langfristig könnte dieser Verlust an Humanressourcen auf einen Verlust an Know-how hinauslaufen, etwa bei der Wartung moderner Waffensysteme oder der Ausbildung von Piloten.

Dass es an einheitlichen Befehls- und Kontrollstrukturen ebenso fehlt wie an standardisierten Verfahren für die Rekrutierung künftiger Söldner, löst unter US-Offizieren zunehmend Besorgnis aus. Zudem werden mehr und mehr „Privatsoldaten“ als Geiseln genommen oder fallen Anschlägen zum Opfer, und die Militärs sind außerstande, diese „Zivilisten“ zu schützen. Die vier Männer, die in Falludscha Ende März 2004 von der Menge verbrannt und aufgehängt wurden – was damals zu heftigen Kämpfen führte -, waren Angestellte des US-Unternehmens Blackwater Security.

Die ebenso schlecht geplante wie auf desaströse Weise durchgeführte Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung irakischer Soldaten ins Zivilleben hinterließ im Irak ein Sicherheitsvakuum. Im Juni 2003 gab das Pentagon daher den Abschluss eines 48 Millionen Dollar schweren Vertrags mit der Vinnell Corporation bekannt, die den Kern einer neuen irakischen Armee ausbilden soll. Weitere Söldnerfirmen wie die MPRI wurden als Subunternehmer herangezogen. Im April desselben Jahres beauftragte das US-Außenministerium die DynCorp Aerospace Operations mit der Ausbildung der irakischen Polizeikräfte.

Die Aktivitäten örtlicher Milizen und die immer intensiver werdenden „aufständischen“ Aktivitäten setzten im Irak eine Gewaltspirale in Gang – die privaten Sicherheitskräfte wurden zum weniger gefährlichen Ziel für Angriffe und führten so zu mehr Instabilität. In der Folge stiegen die Tageshonorare für Söldner auf bis zu 1 000 Dollar. Mehrere tausend ehemalige Militärangehörige arbeiten derzeit für Sicherheitsunternehmen, die westliche Zivilbehörden schützen. Die Kroll Inc. und Control Risks zum Beispiel sorgen für die Sicherheit des Personals der US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAid), des britischen Diplomatencorps und britischer Hilfsorganisationen.

Die Irakkrise zeigt, dass private Sicherheitskräfte während und nach einem bewaffneten Konflikt unentbehrlich sind, um die Machtpositionen der USA abzustützen. Der zunehmende Einsatz westlicher Söldnerfirmen ist das Ergebnis einer Politik, die mit neuen Interventionsformen experimentieren will. Insbesondere die Koordinationsprobleme, die sich daraus ergaben, wurden zunächst übersehen – und als das nicht mehr möglich war, wiederum privatisiert. So erhielt die im Jahr 2003 von dem britischen Oberst Tim Spicer gegründete Firma Aegis Defence Service im Mai dieses Jahres den Zuschlag für die Koordinierung von über 50 Sicherheitsunternehmen, die im Rahmen des Wiederaufbauprogramms den Schutz westlicher Unternehmen gewährleisten sollen. Der Auftrag hat ein Volumen von 293 Millionen Dollar.

Britische und US-amerikanische Diplomaten sehen in der schnellen Privatisierung offenbar kein Problem. Ein hochrangiger ziviler Beamter der Kriegskoalition, der anonym bleiben will, erklärte am Rande der Pariser Konferenz im Mai 2004, er halte den verstärkten Einsatz von Söldnerfirmen für „eine gesunde Entwicklung“. Das Verfahren könnte auch andernorts Schule machen, wenn es sich im Irak als erfolgreich herausstellen sollte. Auch friedenserhaltende Operationen sollten zunehmend privatisiert werden, indem man die Grenzen für ein Outsourcing militärischer Funktionen „fortlaufend“ erweitert.

Die Entscheidung des ehemaligen US-Zivilverwalters im Irak, Paul Bremer, private Sicherheitskräfte nicht dem neuen irakischen Recht zu unterstellen, entzieht diesen Sektor jeder Kontrolle durch die Iraker. Zwar dürfte der vermehrte Einsatz ziviler und militärischer Privatkräfte den strategischen Interessen der USA dienen, doch die vielen Anschläge und Aufstände im Irak belegen, dass sie im Land selbst vornehmlich zu größerem Chaos und weiteren Konflikte führen.

Tatsächlich untergräbt die Privatisierung militärischer Kräfte die künftige Souveränität des irakischen Staats. Sie macht deutlich, dass die wirtschaftlichen Zielvorstellungen der USA mit den politischen Gegebenheiten im Irak kollidieren. Die Söldnerfirmen bieten „schlüsselfertige“ Lösungen an, die von der Beratung bis zur Umsetzung vor Ort reichen. Weil sich die Expertise mehr und mehr in ihren Händen konzentriert, spielen technische und organisatorische Gesichtspunkte bei der Analyse von Konflikten eine unverhältnismäßig große Rolle. Politische Überlegungen treten immer mehr in den Hintergrund.

Der Bedeutungszuwachs privater Söldnerfirmen bringt die traditionellen politischen und zivilmilitärischen Verhältnisse aus dem Gleichgewicht – und zwar nicht nur in Gesellschaften wie der irakischen, die eine schwere Krise durchgemacht haben, sondern auch im Westen. Sie sind hybride Geschöpfe, indem sie die Unterscheidung zwischen zivilem und militärischem, privatem und öffentlichem Sektor verwischen. Da sie überdies vielfach als informelle Netzwerke funktionieren, begünstigen sie Korruption und Kriminalität. In dem Maße, wie die neue US-Strategie eine globale Interventionsfähigkeit der Söldnerfirmen vorsieht, erweist sie sich als Quelle von Instabilität und Chaos. Sie legitimiert die unilaterale Machtausübung der USA weltweit, vor allem aber in den „instabilen“ Regionen des Südens, wo mittels CIA, Sondereinsatzkräften und Söldnerfirmen jene „Kriege geringer Intensität“ geführt werden.

Der Einsatz der PMCs illustriert eine Entwicklung, die durch neuartige Konflikte und die Schwächung staatlicher Souveränität auf der internationalen Bühne gekennzeichnet ist. Solche Konflikte werden in Grenzregionen der Globalisierung an Bedeutung gewinnen. Im Rahmen dieser Entwicklung wird die Privatisierung der Gewaltausübung wahrscheinlich eine bestimmende Rolle spielen. Für die anderen Mitglieder der Kriegskoalition dient das irakische Experiment als Probelauf, um die Auswirkungen von Outsourcing besser einschätzen zu können – bevor sie sich selbst an dessen Einführung machen.

deutsch von Bodo Schulze
Fußnoten:
(1) US State Department, „Security Companies Doing Business in Iraq“, Mai 2004.
(2) Frank Camm, „Expanding Private Production to Defense Services“, Rand Report MR734, S. Monica 1996.
(3) John Deal u. James Ward, „Second Thoughts on Outsourcing for the Army“, Army Magazine, Association of the United States Army, Arlington (VA), Mai 2001, S. 54; Michael O’Hanlon, „Breaking the Army“, The Washington Post, 3. Juli 2003.
(4) Zitiert nach Maya Kulycky, „How Far Can a War be Outsourced?“, MSNBC News, 14. Januar 2003, www.msnbc.msn.com/id/3072959
(5) US GAO, Contingency Operations: „Army Should Do More to Control Contract Cost in the Balkans“, NSDIAD-00-225, Oktober 2000.
(6) Walter F. Roche Jr. und Ken Silverstein, „Iraq. Advocates of War Now Profit From Iraq’s Reconstruction“, Los Angeles Times, 14. Juli 2004.
(7) Sami Makki, Sarah Meek u. a., Private Military Companies and the Proliferation of Arms, „Biting the Bullet Briefing 11“, International Alert, London, Juni 2001, S. 10.
(8) Deborah Avant, „Privatizing Military Training“, Foreign Policy in Focus 7 (6), Institute for Policy Studies, Washington, D. C., Mai 2002.
(9) Dazu Stephen Perris und David Keithly, „Outsourcing the Sinews of War: Contractor Logistics“, Military Review, US Army Command and General Staff College, Fort Leavenworth (KS), Oktober 2001, S. 72-83.
(10) Dazu Murray Weidenbaum, „The Changing Structure of the US Defense Industry“, Orbis, Foreign Policy Research Institute, Philadelphia (PA), Herbst 2003.
(11) „L-3 Com Announces Acquisition of MPRI“, Business Wire, 18. Juli 2000, zitiert nach Peter W. Singer, „Corporate Warriors: The Rise of the Privatized Military Industry“, Ithaca u. London (Cornell Univ. Press) 2003, S. 134.
(12) US GAO, „Military Operations: Contractors Provide Vital Services ot Deployed Forces but Are Not Adequately Addressed in DoD Plans“, Report GAO-03-695, Washington, D. C., Juni 2003.
(13) Dazu Eugene Smith, „The New Condottieri and US Policy: the Privatization of Conflict and Its Implications“, Parameters, US Army War College Quarterly, Carlisle (PA), Herbst 2002-2003.
(14) Thomas Adams, „The New Mercenaries and the the Privatization of Conflict“, Parameters, US Army War College Quarterly, Carlisle (PA), Sommer 1999, S. 103.
(15) National Defense University, Strategic Assessment 1999, Washington D. C., 2000, S. 240.
(16) Dazu das Dossier in Courrier international 710, 10. bis 16. Juni 2004, S. 4952.

Le Monde diplomatique Nr. 7512 vom 12.11.2004