Kritik an der Privatisierung von Petrom

19. September 2005, Neue Zürcher Zeitung
Kritik an der Privatisierung von Petrom
Der rumänische Präsident rügt Abkommen mit OMV
Der rumänische Staatspräsident Basescu stösst sich daran, dass die Kraftstoffpreise in seinem mit Rohölreserven reichlich gesegneten Land im Gleichschritt zu den Weltmarktnotierungen laufend in die Höhe klettern. Schuld daran sei der im Sommer 2004 erfolgte Verkauf der nationalen Mineralölgesellschaft an die österreichische OMV.
T. K. Wien, 18. September
Benzinpreiserhöhungen sind für die meisten Volkswirtschaften ein Ärgernis, doch in Rumänien mit einem Durchschnittseinkommen von monatlich nur 353 Fr. können sie zu einer Frage des wirtschaftlichen Überlebens werden. Die sukzessive Anpassung des Literpreises Normalbenzin von 27 000 auf rund 37 000 Lei (Fr. 1.58) innerhalb eines Jahres wird in Bukarest umso stossender empfunden, als 80% des Konsums aus eigenen, auf nationalem Territorium gelegenen Rohölreserven stammen. Die rumänische Explorations- und Verteilergesellschaft Petrom lässt sich dadurch freilich nicht beirren: Der Chef des Unternehmens erklärte zu Beginn der letzten Woche, die Absatzpreise müssten an die Vorgaben des Weltmarktes angepasst werden, wolle sich Rumänien nicht dem Vorwurf des Preisdumpings aussetzen.
Basescus Schelte
Der Präsident der Petrom, der Österreicher Wolfgang Ruttenstorfer, liess darüber hinaus verlauten, dass sich das Unternehmen wöchentlich mit dem rumänischen Wirtschaftsminister zur Abstimmung der Geschäftspolitik treffe. Diese Erklärungen reichten dem rumänischen Staatspräsidenten Traian Basescu freilich nicht. Bei seiner Abreise an den Uno-Gipfel fand er Anfang letzter Woche vernichtende Worte für die Petrom-Preispolitik. In New York angekommen, bezeichnete er den im Sommer 2004 erfolgten Verkauf des Unternehmens (und damit auch der gesamten nationalen Rohölreserven) an eine private Gesellschaft (die von Ruttenstorfer geführte österreichische OMV) als «Fehler», und nach seiner Rückkehr am Samstag zweifelte er offen an der Rechtmässigkeit des Privatisierungsvertrages, den er nun überprüfen und später möglicherweise auch veröffentlichen will. Damit hat der streitbare Basescu, der seit Amtsübernahme Ende des vergangenen Jahres immer wieder direkt in die Regierungsgeschäfte eingreift, in ein weiteres Wespennest gestochen.
Reputationsprobleme
Verfassungsspezialisten werfen ihm vor, dass rumänische Staatspräsidenten solche Prüfungen gar nicht vornehmen dürfen, sondern sich im Zweifelsfalle an die zuständigen staatlichen Stellen (in diesem Fall die Wettbewerbsbehörde) wenden müssten. Der ehemalige sozialdemokratische Regierungschef Nastase verteidigte die von ihm selbst (und auch vom österreichischen Regierungschef Schüssel) intensiv «begleitete» Abtretung einer 51%-Aktienmehrheit der Petrom an die OMV als ein vorteilhaftes Geschäft, das der Regierung mit einer Restbeteiligung von 40% genügend Einfluss auf die Preisgestaltung lasse.
Der gegenwärtige Ministerpräsident Popescu Tariceanu kann sich an der Bedrängnis seines Vorgängers jedoch nur beschränkt erfreuen. Er erkennt im Vertragswerk mit der OMV zwar ebenfalls «nicht sonderlich vorteilhafte Klauseln», meint jedoch, dass eine Revision des 1,5- Mrd.-Euro-Geschäftes aus Rücksicht auf die Reputation des auf ausländische Investoren angewiesenen Landes unangebracht und – wegen juristischer Gegenmassnahmen der OMV – auch gefährlich wäre. Einen Ausweg aus dem Dilemma hat nun aber möglicherweise Tanasescu, Nastases Finanzminister und heutiger Vorsitzender des parlamentarischen Haushaltsausschusses, gefunden: Um die Revision des Petrom-Privatisierungsvertrages zu vermeiden und die Energierechnungen für die Bevölkerung verdaubarer zu machen, schlägt er dem Parlament vor, die Treibstoff-Abgaben während sechs Monaten um 13% und den entsprechenden Mehrwertsteuersatz von 19% auf 16% zu kürzen. Dem Dumping-Vorwurf würde sich damit nicht Petrom, sondern der Staat aussetzen.
Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter:
>>> http://www.nzz.ch/2005/09/19/wi/articleD5JGO.html

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