Ich tausch nicht mehr: Broschüre und Diskussion

Bildschirmfoto-2015-09-15-um-15.26.56Im September 2015 ist die umfangreiche Broschüre ich tausch nicht mehr – ich will mein Leben zurück“ erschienen. In den nächsten Wochen werden auf Keimform.de nach und nach einzelne Artikel aus der Broschüre vor- und zur Diskussion gestellt. Die Broschüre gibts schon komplett online: das gesamte PDF hier runterladen und auch als Papierexemplar zum bestellen: die gedruckte Version per Mail anfragen (wenn ihr Porto schicken könntet, wäre das toll). Und jetzt z.B. Editorial lesen

Zeitschrift Luxemburg: Themenausgabe Smarte Neue Welt

Soziale Medien verändern grenzüberschreitend Kommunikationsweisen und Öffentlichkeiten, Lifelogging-Apps heben neoliberale Selbsttechnologien auf eine neue Stufe, und auf der Grundlage vernetzter Nutzerdaten wird Mobilität ebenso wie Pflege und Gesundheitsversorgung grundlegend umgebaut; von den ökologischen Folgen dieser SMARTEN NEUEN WELT ganz zu schweigen. Von links stellen sich zwei zentrale Fragen: die nach der Verfügung über all diese Daten, Algorithmen und Kommunikationsinfrastrukturen. Sie liegt zunehmend in der Hand privater Konzerne, die sie nicht zuletzt für staatliche Überwachungszwecke und digitale Kriegsführung bereitstellen. Die andere Frage ist die nach den Rationalisierungspotenzialen der Automatisierung. Wem gehört eigentlich die frei werdende Zeit? Und wie lassen sich angesichts privatwirtschaftlich generierter Automatisierungsgewinne künftig Einnahmen öffentlicher Kassen sicherstellen? Weiterlesen

Mal wieder die Mitte

Buy Stocks…

Die Unterscheidung zwischen den 99 % und den 1 % war und ist auch deshalb so brisant, weil sie den überaus hartnäckigen Blick in die drei Richtungen nach Oben, Unten und auf die Mitte nicht mitmacht. Die Rede von der Mittelschicht oder einer middle class hat seit über einem Jahrhundert vor allem die ökonomisch geleitete Gesellschaftsanalyse vom „Oben“ abgelenkt und auf die Mitte fokussiert. Genauer gesagt: auf die weiße Mitte des Westens. Im Notfall kamen auch mal die „gefährlichen Klassen“ ins Blickfeld.

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Bonanza mit Katze

forbes400-cover-537x695Das Institute for Policy Studies (einer der ersten progressiven Think-Tanks in Washington) hat just einen neuen Report publiziert: Billionaire Bonanza: The Forbes 400 and the Rest of Us. Der Bericht zielt vor allem darauf ab, mit der Didaktik des Vergleichs zu veranschaulichen, welche Dimensionen der bei den jährlichen Forbes-Berichten zu den 400 Reichsten in den USA dokumentierte Reichtum in den USA mittlerweile erreicht hat. Aktuell schafft es eine erkleckliche Zahl us-amerikanischer Milliardärde in diese Gruppe nicht mehr reinzukommen, denn sie hat weniger als 1,7 Mrd.$ Einstiegsvermögen. Aber die Vergleiche des Reports sind recht anschaulich. 

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bye-buy Wissenschaft: Wer hat Zugang zu Forschungsergebnissen?

Humboldt-Universität by K.H. Reichert, CC-by-2.0

Elsevier, einer der großen wissenschaftlichen Verlage, ist kürzlich gerichtlich gegen zwei der größten ehrenamtlich betriebenen Online-Bibliotheken vorgangen, die wissenschaftliche Publikationen, die sich viele Wissenschaftler_innen nicht mehr leisten können, kostenlos zur Verfügung stellen: Library Genesis und Sci-Hub. Dieses Vorgehen setzt ein deutliches Signal, wie Alexandra Elbakyans (Sci-Hub) kommentiert:

Falls es Elsevier gelingt, unsere Projekte zu stoppen oder ins Darknet zu zwingen, demonstriert das eine wichtige Idee: dass die Öffentlichkeit kein Recht auf Wissen hat.“

Beitrag auf netzfueralle fertiglesen

Näheres zum Zuckerberg-Wunder.

SurplusDas 45 Milliarden-Geschenk der Familie Zuckerberg ist in den deutschen und us-amerikanischen Massenmedien fast ausnahmslos positiv aufgenommen worden. Der PR-Coup funktionierte. Der bodenlos hagiografische Beitrag von Bettina Weiguny („Das Zuckerberg-Wunder“) in der FAS v. 6.12.2015 S.25 ist nur ein Beispiel dafür: „Held des Kapitalismus, reich geworden aus eigener Kraft“, „Selfmade-Milliardär“, „geifernde Zorn seiner Gegner“ usw.usf. Zwei Tage zuvor habe die FAZ bereits „ausgerechnet“ (Weiguny), dass die Steuerquote von facebook „deutlich“ über der von Daimler, Deutscher Post, Apple oder Alphabet/Google liege – womöglich eine Antwort auf den Vermerk aus der FAZ wiederum tags zuvor, dass facebook in Europa „so gut wie keine Steuern“ bezahle.

Ein netter, braver Kerl also, der Mark. Und seine Frau erst. Und das süße Kind. Mittlerweile gibt es jedoch einige erinnerungswürdige Hinweise, u.a. aus dem New Yorker, der New York Times, Vox, dem Tax Justice Blog, dem Guardian oder, besonders bemerkenswert, dem Manager Magazin. Sie zeigen ein paar Feinheiten.

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Wie Privatisierung funktioniert – ein Beispiel

teethRechtzeitig zum gesundheitsschädlichen Großereignis Weihnachten publiziert der „Sozialismus“ 12/2015 einen sehr informativen Beitrag von Thomas Böhm zu den Folgen der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge am Beispiel der Krankenhäuser. Seit 1991 wurden in Deutschland 416 Krankenhäuser geschlossen und 165 000 Betten abgebaut. Der Anteil der Privaten an den Krankenhäusern stieg von 15,2 % auf 34,6 %, der Anteil an den Krankenhausbetten von 4 % auf 17,2 %. Die Untersuchung von Böhm, der bis 2010 Vorsitzender des ver.di-Bezirks Stuttgart und des Personalrats des Klinikums Stuttgart war zeigt, wie die Sana und Helios, Rhön und Asklepsios ihr Geld machen – und auf wessen Kosten.

Rosinenpickerei: 2012 behandelten Private 16,7 % aller Patienten, aber 46,4 % aller Krampfadern-Erkrankungen, 24,8 % der Kniegelenksarthrosen, 24,8 % aller Bandscheibenschäden und 23,7 % aller Hüftarthrosen, weit überdurchschnittlich viele Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems also. Typische Erkrankungen von alten Menschen (Obeschenkelbruch, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen) kommen unter den 20 häufigsten Behandlungsanlässen der Privaten nicht vor.

Arbeitsüberlastung: In allen (!) Berufsgruppen (Ärzte, Pflege, Med.techn.Dienst, Klin. Hauspersonal usw.) ist die Zahl der Patienten, die versorgt werden muss, bei der Privaten deutlich höher als bei den Öffentlichen Krankenhäusern.

Lohndumping: Abgesehen von den Ärzten bezahlen die Privaten in jeder Berufsgruppe weniger als die öffentlichen Arbeitgeber. Eine Pflegekraft z.B. verdient im Jahr 4177 € weniger als in einem öffentlichen Krankenhaus.

Details finden sich in dem Beitrag.

Reader zu nichtkommerziellen Projekten

Alternativen zum warenproduzierenden Patriarchat sind, das zeigt nicht nur die DIY-Welle, die längst die Massenmedien erreich hat, dringend nötig. Sie liegen sozusagen in der Luft. Die Praxis solcher radikal-alternativer Ansätze ist, das zeigen viele Experimente und Projekte, allerdings sehr steinig.

In der Kritik, dass auch die „solidarische Ökonomie“ und Tauschringe noch auf dem (kapitalistischen) Prinzipien des Tausches beruhten, fordern die Anhänger_innen einer nichtkommerziellen oder Beitragsökonomie (NK) ein „Wirtschaften“ jenseits des Tausches. Dies klingt radikal und viele der Beiträge in dem nun vorliegenden, umfangreichen Reader, der die Erfahrungen der letzten zehn Jahre dokumentiert, zeugen von einem hohen Niveau an (Selbst-)Reflektion. Allein es wird nicht recht klar, was nun konkret erreicht wurde. Es wird jenseits der theoretischen Artikel, etwa zu Keimformen, Peercommony und anderem, kaum deutlich, was wirklich verändert oder neu initiiert wurde, und in welchem Umfang. Einige Beiträge reflektieren dann auch darüber, dass auch NK-Projekte auf Überschüssen (Lohnarbeit, Spenden und andere Transfers, …) des formalen und Lohnarbeitssektors beruhen.

Die Texte für sich sind spannend zu lesen, zeigen aber nachdrücklich, dass die NK-Versuche eher im Hobby- und Freizeitbereich anzusiedeln sind und auf Spenden beruhen. Ein umfangreiches und ebenso hilfreiches Glossar erklärt viele Begriffe aus dieser Debatte, zeigt aber auch, wie voraussetzungsvoll diese ist.

Bernd Hüttner

Ich tausch nicht mehr. Ich will mein Leben zurück. Theorie und Praxis von nichtkommerziellen Projekten, Berlin 2015, 144 Seiten, gegen Spende oder als PDF unter http://ich-tausch-nicht-mehr.net. Die Artikel sind dort auch einzeln abrufbar.

Nun also Zuckerberg. Als Philanthrop.

ReichlandPhilanthropie unterstellt immer eine zweckfreie Generosität beim Geben, Schenken und Helfen, die durchaus zur sonstigen unternehmerischen Lebenspraxis kontrastiert. Ihre Rhetorik soll zumeist zwei bestimmte Images der Mehrheit der Superreichen propagieren. Sie seien wohltätige Angehörige einer bodenständigen oberen Mittelklasse, wofür ihre entsprechenden Aufwendungen für Bildung, Kunst und Kultur, Gesundheit oder Tierschutz und Umwelt verweisen. Oder wir haben es mit der Imagepolitik der eigentlichen Spitzengruppe des globalen Reichtums zu tun. Deren Referenz ist die Menscheit und der Planet Erde. Sie unterstellen, mit ihnen umgehen zu können – und dies auch noch wohltätig und zu einem guten Ende. Sie sind der gute Souverän der Zukunft.

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