Episode: Gescheiterter PPP-Lobbyismus

Werner Rügemer berichtet in der jungen Welt unter dem Titel: „Rudolf Scharping: Wieder baden gegangen“:

Die Stadt Leimen bei Heidelberg mußte im Jahre 2000 ihr Freibad aus hygienischen Gründen schließen, dann auch das sanierungsbedürftige Hallenbad. Der überschuldeten Kommune fehlte das Geld. Doch in solchen Fällen tauchen in der letzten Zeit häufig rettende Engel auf. Nicht selten sind dies ausrangierte Politiker, die sich lukrativeren Tätigkeiten widmen. So gründete auch der ehemalige SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping nach dem Ende seiner Karriere als Verteidigungsminister in der rot-grünen Bundesregierung die Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation GmbH (RSBK) mit Sitz in Frankfurt/Main.

Die 2004 gegründete RSBK wirbt in notleidenden Kommunen wie Leimen bundesweit für Public Private Partnerships (PPP). Sie lädt Stadträte und Kämmerer zu kostenlosen PPP-Workshops ins Arabella Sheraton Grand Hotel München und ins Hotel Renaissance Düsseldorf, verschickt den Newsletter PPP kompakt. Mit dem Behördenspiegel und Euro Finance Week organisiert RSBK »Führungskräfte-Foren«.
Bei PPP übernehmen private Investoren für Schulen, Gefängnisse, Bäder und Rathäuser nicht nur den Bau oder die Sanierung, sondern auch die Kreditaufnahme und den langfristigen Betrieb. Dafür zeichnen die Oberbürgermeister und Kämmerer Mietverträge, die 20 bis 30 Jahre laufen. Den Kommunen wird langfristige Planungssicherheit versprochen und daß es sowieso billiger und besser wird, als wenn sie alles selbst machen.

2005 unterschrieb der Leimener Oberbürgermeister Wolfgang Ernst einen PPP-Vertrag. Der Investor s.a.b. GmbH will den »Markt« der oft sanierungsbedürftigen bundesweit 6.700 kommunalen Frei- und Hallenbäder aufrollen. So wurden 2007 in Leimen das jahrelang geschlossene Freizeit- und das Hallenbad als »AQUA BALANCE Gesundheits- und Badepark« neu eröffnet. Dieser Park, eines von bisher fünf PPP-Projekten von s.a.b., besteht aus »öffentlichen Zonen der Kommunikation« (Hotel, Restaurant, Seminarräume, Badelandschaft) und »privaten Rückzugsräumen« (Behandlungszimmer, Sauna, Tepidarium). Die feierliche Eröffnung war ein großes Ereignis in der kleinen Stadt, die überregional bis dahin lediglich durch »Bum-Bum«-Tennisspieler Boris Becker bekannt wurde, der hier aufgewachsen war, als die städtischen Bäder noch in Schuß waren. Vertreter der baden-württembergischen Landesregierung waren auf Einladung von s.a.b. ebenso angereist wie mehrere Bürgermeister aus Kommunen im »Ländle«, die vor ähnlichen Problemen stehen.
Die vereinbarte Miete, die Leimen 30 Jahre lang an s.a.b. zu zahlen hat, beträgt 420.000 Euro jährlich. Doch bereits nach einem Jahr, seit Sommer 2008, verlangt der Investor plötzlich mehr als die doppelte Miete, nämlich 1,1 Millionen Euro – sonst müsse seine Leimener Projektgesellschaft in die Insolvenz gehen. Eine PPP-übliche Vertragsklausel (»Forfaitierung mit Einredeverzicht«) ermöglicht diese Forderung: Bei Insolvenz des Investors fallen die Bäder an die Stadt zurück, und sie muß die Zinsen und Tilgungen für die 12,5 Millionen Euro, die s.a.b. (angeblich) investiert hat, übernehmen, gleichgültig ob der schöne »Bade- und Gesundheitspark« weiter betrieben wird oder nicht.

Der Investor hat mit 210.000 Besuchern im Jahr kalkuliert, es kommen aber nur 80.000, etwas weniger als vorher auch. Zur profesionellen Fehlkalkulation hat wohl nicht nur die vertragliche PPP-Hängematte des Investors beigetragen, sondern vielleicht auch die Tatsache, daß Berater Scharping mit dem Investor besonders eng verbunden ist. »Von der Bestandsaufnahme bis zur Eröffnung der Anlage bietet s.a.b. dem kommunalen Partner alles aus einer Hand«, wirbt Scharpings RSBK. Er ist auch Mitglied im Beirat von s.a.b.

Schon als Oppositionsführer im Bundestag war Scharping entgegen der Beschlußlage seiner SPD für die großen Privatisierungsprojekte der CDU-geführten Bundesregierung eingetreten, etwa bei der Post. Als Verteidigungsminister und Jugoslawien-Krieger hatte er u. a. mit Hilfe seines Beraters Moritz Hunzinger und der Bank Oppenheim die Privatisieung in der Bundeswehr vorangetrieben. Warum er nun so sehr auf Badelandschaften setzt (»mir liegt der Erhalt der öffentlichen Badekultur besonders am Herzen«), darüber wird in der Branche gerätselt. Manche verweisen auf den medialen Erfolg, den er als Verteidigungsminister hatte, wenn auch gegen seinen Willen, als er mitten in dem auch von ihm angezettelten Jugoslawien-Krieg mit seiner gräflichen Gespielin aus der Rüstungslobby in einem Mallorquinischen Swimmingpool beim verliebten Planschen erwischt wurde. Obwohl beim Badengehen in Leimen mehr öffentliche Gelder versenkt werden als damals auf Mallorca, glänzen dieselben Medien heute bezüglich Leimen mit Zurückhaltung, obwohl – oder weil? – es diesmal wirklich um öffentliche Interessen geht.

Wie es in Leimen weitergeht, ist offen. OB Ernst hatte es geschafft, die öffentliche Diskussion bis zu seiner Wiederwahl Anfang des Jahres zu verhindern. Jetzt erzwingen die Bürger öffentliche Versammlungen, die gut besucht sind. Auch die Leimener Kinder sind inzwischen auf s.a.b. sauer: Der Investor hat den für den 6. September groß angekündigten »Tag der Kinder mit Kinderdisco« im Freibad plötzlich und ohne Begründung abgesagt – es hatte der Höhepunkt des Kinderferienprogramms sein sollen. Der OB fordert die Einwohner allen Ernstes auf, »aus Loyalität« doch häufiger baden zu gehen, dann werde alles gut. Leimen steht vor einer interessanten Entscheidung: Entweder geht Berater und Investor Scharping mit RSBK und s.a.b. juristisch baden und der Vertrag wird gekippt, oder die Leimener müssen 30 Jahre lang zu hohen Preisen täglich wirklich baden gehen.

Quelle: Junge Welt, http://www.jungewelt.de/2008/09-16/044.php?print=1

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